Was man bei Amnesty alles machen kann – die Ulmer Gruppe als Beispiel für die Vielfalt der Möglichkeiten
Die Gruppe 1304 wurde 1973 gegründet und gehört damit zu den erfahrensten Gruppen von Amnesty International.
Gleich vorweg: die meisten Erfahrungen aus den rund fünf Jahrzehnten waren gute Erfahrungen. Immer wieder hat sich gezeigt, dass wenige Menschen mit einfachen Mitteln viel erreichen und kleine Gruppen große Projekte auf die Beine stellen können.
Ungewöhnliche Projekte
Unsere heutige Gruppe mit der Kennziffer 1304 war nicht die erste in Ulm und Neu-Ulm. Schon in den späten 60’er Jahren hatte sich eine erste Amnesty-Gruppe rund um den Neu-Ulmer Lehrer Günther Brune und den späteren Landtagsabgeordneten Eberhard Lorenz gegründet, die aber leider nach einigen Jahren auch wieder aufgelöst werden musste. Unsere heutige Ulmer Gruppe entstand 1973 aus einem Kreis von Schüler*innen, Auszubildenden und jungen Künstlerinnen und Künstlern rund um den Schüler und späteren Schriftsteller Urs M. Fiechtner. Dabei geholfen hat in unauffälliger Form und im Hintergrund die Ulmer Vokshochschule, die in der Nachfolge des Erbes der Geschwister Scholl eine Gründung aus dem Umfeld des Widerstandes gegen die Nazi-Diktatur ist und der jungen Amnesty-Gruppe in der Anfangszeit ihre Räume zur Verfügung gestellt hat, während die Gruppe sich zahlreihen Anfeindungen entgegegstellen musste und ihr Gründer sowohl in Neu-Ulm wie in Ulm aus der Schule verwiesen wurde – die Gruppe gibt es aber immer noch und ist höchst lebendig, während die Lehrer, Kirchenvertreter, Politiker und andere “ordentliche Bürger” jener Zeit, die ihr “Humanitätsduselei”, “Nestbeschmutzung”, “Vaterlandsverrat” und vieles mehr vorgeworfen haben, heute längst Geschichte sind. Die konsequente Arbeit für die Menschenrechte setzt sich eben immer durch, auch wenn es dafür manchmal einen sehr langen Atem braucht.
Die Ulmer Gruppe hat bis heute ein paar Besonderheiten, die sie von anderen Amnesty-Gruppen unterscheiden, dazu gehört die Tradition, immer wieder Projekte aufzubauen, die über dien Alltag einer Gruppenarbeit bei Amnesty hinausgehen. Aus der sehr langen Liste solcher Projekte in über 50 Jahren sollen hier nur sehr wenige, dafür aber sehr typische Beispiele herausgegriffen werden:
- In den 70er-Jahren hat die Gruppe ein Passus in der Gesetzgebung südamerikanischer Militärdiktaturen, besonders derjenigen in Argentinien und Chile, genutzt, um nicht nur einzelne politische Gefangene, sondern ganze Gruppen aus den Gefängnissen zu holen. Es war rechtlich möglich, lange oder ungewisse Haftstrafen in Verbannung umzutauschen, Bedingung war ein Visum für ein Land außerhalb Lateinamerikas. In Zusammenarbeit mit Amnesty-Gruppen in Schweden, Dänemark, Kanada und anderen Ländern haben die Ulmer zahllose politische Gefangene in diese Länder geholt. In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium Baden-Württemberg brachten wir eine große Gruppe argentinischer Häftlinge (mit Familienangehörigen insgesamt 64 Personen ) nach Ulm und in umliegende Städte, besorgten ihnen Wohnung, Arbeit, Deutschkurse, medizinische Versorgung und alles, was man sonst zum Leben braucht. Entstanden ist dies alles übrigens aus der Routine-Arbeit für einen einzigen offiziellen Amnesty-Fall, der uns zugewiesen worden war. Gleichzeitig arbeitete sich die Gruppe in das Thema der weltweiten systematischen Folter ein und arbeitete mit an der Entwicklung der ersten Behandlungszentren für Folteropfer und Gewalttraumatisierte, die später zur zivilgesellschaftlichen Gründung von Behandlungszentren in vielen Städten Deutschlands fühten würede, auch in Ulm.
- In den 80er-Jahren half die Gruppe beim Aufbau einer (noch heute existierenden) Selbsthilfeorganisation von Familienangehörigen »Verschwundener« in Argentinien, die »Abuelas de Plaza de Mayo«. Diese (buchstäblich) Großmütter suchten und suchen Kleinkinder, die zusammen mit ihren Eltern verhaftet oder in Gefangenenlagern geboren worden waren. Die Ulmer Gruppe machte sie in den deutschsprachigen Ländern bekannt, organisierte unter anderem Rundreisen mit Vertreterinnen der Abuelas (darunter eine durch halb Europa mit 145 Presse- und Veranstaltungsterminen in 50 Städten), stellte Amnesty-Gelder für den Aufbau eines Büros in Buenos Aires zur Verfügung, kümmerte sich um politischen Schutz durch Vermittlung von Hunderten von Schirmherrschaften von Städten, Parlamenten, Politikern und Prominenten, besorgte den Kontakt zu Wissenschaftlern für den Aufbau einer Gendatenbank (zur Identifikation gefundener Kinder) und zu Computerfirmen für die Datenverarbeitung. Dutzende von Familien wurden finanziell von uns unterstützt und für die Lösung aller Probleme, die über das Mandat von Amnesty hinausgingen (z.B. soziale Fragen) ein eigener Verein (»Argentinienhilfe e.V.«) gegründet. Die Abuelas haben inzwischen rund 130 Kinder gefunden und in ihre Familien zurückgeholt. Sie sind in Argentinien heute zu einer hoch einflußreichen Institution geworden, die, wie sie sich manchmal ausdrücken »in zwei Städten gegründet wurde, nämlich in Buenos Aires und in Ulm…«.
- In den 90er-Jahren konzentrierte sich die Gruppe auf die Gründung des Ulmer Behandlungszentrums für Folteropfer, das heutige BFU, das inzwischen zu einer bundesweit geachteten Anlaufstelle für Folter- und Kriegstraumtisierte Flüchtlinge aus weiten Teilen Baden-Württembergs und Bayerns geworden ist. Das BFU kann beispielhaft für gelungene Projektarbeit bei Amnesty stehen: Amnesty hat nur den Anstoß für die Gründung gegeben und das junge BFU in der Anfangszeit personell, finanziell und mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, inzwischen kommt es ohne Hilfe von Amnesty aus (wir arbeiten aber noch sehr intensiv zusammen), so daß die Ulmer Gruppe sich wieder anderen Themen zuwenden konnte. Unter anderem organisierten die Ulmer, die selbst einmal als Schüler*innen-Gruppe begonnen hatten, den bundesweiten Aufbau der Jugendarbeit in der deutschen Sektion. Heute gibt es viele Jugendgruppen an Schulen sowie Hochschulgruppen an Universitäten und eine sehr lebendige Jugendvertretung, die alle jungen Mitglieder von Amnesty vertritt und einen starken Einfluss auf die Entscheidungsfindung in der deutschen Sektion von Amnesty gewonnen hat.
- In den 00er- Jahren haben wir unsere schon damals langjährigen Erfahrungen in der Menschenrechtsbildung genutzt, um angesichts der Polarisierung in Deutschland rund um Themen wie Flüchtlingsschutz, Migration, Rassismus und Menschenrechte unsere Angebote an Schulen, Berufsschulen, Universitäten und Einrichtungen zur Erwachsenenbildung noch weiter auszubauen und für ganz Süddeutschland einen Referenten*innen-Service anzubieten: seitdem können alls Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung über uns Referenten*innen einladen, die nicht nur ein theoretisch-akademisches Wissen über Menschenrechte mitbringen, sondern auch praktische und persönliche Erfahrung in der Menschenrechtsarbeit. Diese Arbeit war und ist sehr erfolgreich, wir erreichen seitdem im Durchschnitt rund 120 – 150 Veranstaltungen pro Jahr in Ba-Wue, Bayern, Hessen, RH.-Pf und gelegentlich in Österreich und der Schweiz.
- in den 10er-Jahren haben wir zur Unterstützung unserer Menschenrechtsbildung eine eigene Stiftung gegründet, die “Ulmer Stiftung Menschenrechtsbildung”, deren Trägerverein “Bündnis Menschenrechtsbildung” von Ulmer Amnesty-Mitgliedern gegründet wurde und unter dem Dach der Volksbank Ulm-Biberach untergekommen ist, der einzigen Bank im Süden, die sich die Menschenrechte in ihr Profil geschrieben hat. Dank der Stiftung und ihrem Trägerverein haben wir seitdem einen “Rollenden Infostand”, d.h. ein Auto, das wir auch für die Menschenrechtsbildung von Amnesty einsetzen können. Damit können wir auch viele Veranstaltungstermine erreichen, die über Bahn und Bus nicht erreichbar wären und sehr viele Materialtransporte für Veranstaltungen organisieren, die mit öffentlichen Transportmitteln nicht möglich sind. Unter dem Dach der Stiftung und ihres Trägervereins ist mit der “Edition Kettebruch” zudem eine Buchreihe entstanden, die erfolgreiche Bücher zur Menschenrechtsbildung aufgreift und neue Bücher zum Thema als Non-Profit-Unternehmen publiziert. Gleichzeitig haben wir uns darum bemüht, in der südkenianischen Provinz Mara River ein Pojekt zur Stärkung der Menschenrechte für Frauen aufzubauen, insbesondere im Kampf gegen die dort weit verbreitete weibliche Genitalverstümmelung (FGM). Mehrere Mitglieder der Ulmer Gruppe haben Kenia besucht und vor Ort am Aufbau des Projektes teilgenommen.
»Gewöhnliche« Projekte
Die Arbeit für die Freilassung eines politischen Gefangenen (der keine Gewalt ausgeübt oder dazu aufgerufen hatte) und der Schutz vor Folter, Todesstrafe oder »Verschwindenlassen« gehört zwar zu den Standardaufgaben fast aller Amnesty-Gruppen überall auf der Welt, wurde in Ulm aber häufig besonders intensiv durchgeführt.
Die oben genannte »ungewöhnliche« Projektarbeit darf man sich nicht unbedingt als »Hauptbeschäftigung« der kompletten Gruppe vorstellen. Im Gegenteil konnten und können solche Projekte auch ganz gut neben der »normalen« Gruppenarbeit herlaufen, und die wurde und wird bei uns meistens in der Fallarbeit gesehen, also in der individuellen Betreuung eines aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen inhaftierten Menschen. Diese Arbeit für die Freilassung eines politischen Gefangenen und den Schutz vor Folter, Todesstrafe oder »Verschwindenlassen« haben wir besonders intensiv durchgeführt. Nicht selten hat die Gruppe mehrere politische Gefangene in verschiedenen Ländern gleichzeitig betreut oder deren Familienmitglieder oder Mitgefangene in die Betreuung mit einbezogen. Alles in allem hat die Gruppe auf diesem Weg bisher über 260 Menschen handfeste, praktische Hilfe gebracht. Fast alle Fälle konnten erfolgreich abgeschlossen werden, auch wenn es manchmal so aussieht, als müsste man sich die Zähne ausbeißen – im Moment versucht die Gruppe, das Schicksal von 10 Gefangenen in Libyen zu klären, von denen seit 1989 fast jede Spur fehlt… – Einer der Gründe für die ers
taunlichen Erfolge von Amnesty International, sagen Analytiker, sei unsere Fähigkeit, sich nicht entmutigen zu lassen. Natürlich kommt es trotzdem immer wieder ein mal vor, dass eine Amnesty-Gruppe scheitert. So ist es uns in vielen Jahren trotz aller Bemühungen nicht gelungen das Schicksal von 10 Gefangenen in Libyen zu klären, von denen seit 1989 jede Spur fehlt.
Arbeit für andere…
Viele Teilbereiche der Ulmer Arbeit hatten und haben direkt oder indirekt eine ausstrahlende Wirkung. Vieles bei uns läuft nach dem Prinzip, eine Idee oder ein Projekt so geschickt anzustoßen, dass es später »von alleine« weiterläuft und die Gruppe sich danach neuen Aufgaben widmen kann. Auf diese Art lassen sich auch geringe Kräfte multiplizieren. Das gilt auch für die Zusammenarbeit innerhalb von Amnesty – die Ulmer Gruppe arbeitet zwar sehr selbstständig, fühlt sich aber auch mitverantwortlich für »das Ganze«. Beispiel: als in den 70er- und 80er-Jahren das System der ehrenamtlichen Spezialisierung eingeführt wurde – also Gruppen aus ehrenamtlichen Fachleuten für bestimmte Themen, heute »Koordinations-Gruppen« genannt – stand die Ulmer Gruppe vor der Wahl, sich aus dem viel zu großen Spektrum der Länder, für die es noch keine Koordinationsgruppe gab, ein einzelnes herauszusuchen oder gleich die gesamte Lücke zu füllen. Die Gruppe entschied sich dafür, 15 Lateinamerikanische Länder zu übernehmen, für alle Länder die Vorarbeiten für die Gründung von Ko-Gruppen zu leisten und auf der Basis dieser Vorarbeit dann andere Amnesty-Gruppen einzuarbeiten und zu Ko-Gruppen zu machen. Das hat funktioniert, längst gibt es für alle diese Länder funktionierende Koordinations-Gruppen, während Ulm sich wieder aus der Länder-Arbeit zurückziehen konnte.
Die Zusammenarbeit mit oder die Zuarbeit für andere Amnesty-Gruppen oder Fachbereiche der deutschen Sektion gehört – mit wechselnder Intensität – zum »Dauerzustand« der Ulmer Gruppe oder einzelner ihrer Mitglieder und taucht daher bei den Gruppentreffen immer wieder als Thema auf. Besonders häufig wird man vom Bezirk Ulm respektive vom Bezirksteam hören. Bezirke sind regionale Zusammenschlüsse mehrerer Gruppen – gewissermaßen »zur Nachbarschaftshilfe« – die gemeinsam die Verantwortung für die Amnesty-Arbeit in ihrer Gegend übernehmen und über die bundesweite Konferenz der Bezirkssprecher in den Angelegenheiten der deutschen Sektion mitbestimmen. Der Ulmer Bezirk wurde von der Ulmer Gruppe Mitte der 70er-Jahre gegründet und es sind bis heute meist Mitglieder unserer Gruppe geblieben, die sich für die Mitarbeit im Bezirksteam (das man sich als eine Art regionaler Vorstand vorstellen kann) breitschlagen lassen, sich um die Gruppen in der Region kümmern und das Bezirksbüro organisieren.
…und mit anderen
Nicht zu verwechseln, aber doch meist unentwirrbar miteinander verwoben, ist die Zusammenarbeit im besagten »Bezirk Ulm«, der von Crailsheim bis Memmingen und von Göppingen bis Dillingen reicht, mit der Zusammenarbeit innerhalb der »Ulmer Gruppen«: mit letzteren sind die Amnesty-Gruppen in den Stadtgebieten von Ulm und Neu-Ulm gemeint, die sich gemeinsame Aufgaben mit uns teilen. Zur Zeit gibt es Jugendgruppen an Schulen in Ulm und in Neu-Ulm sowie eine Hochschulgruppe an der Ulmer Uni.
Mal mehr und mal weniger Mitglieder unserer Gruppe arbeiten darüber hinaus auch in Gremien der deutschen Sektion, zum Beispiel in Fachkommissionen (eine Art Experten-Gruppen zur Beratung des Bundesvorstandes) oder in bundesweiten Projekten, so dass die Gruppe sich immer wieder auch außerhalb ihrer eigenen Arbeitsgebiete ganz direkt in die bundesweite Arbeit einmischen kann.
Hier und nicht nur hier lohnt sich übrigens die Anmerkung, dass man sich die Strukturen und Arbeitsweisen bei Amnesty nicht so vorstellen kann wie in einem »typischen« Verein oder gar einer Partei: quer einsteigen in alle möglichen Arbeitsbereiche und Ebenen der Organisation ist bei uns sehr leicht und immer erwünscht. Die Organisation ist im besten Sinne »basisdemokratisch« aufgebaut, denkt kaum in Hierarchien und kennt daher auch keine »klassischen Karrierewege«, durch die man sich irgendwohin »hochdienen« müsste. Gefragt sind Engagement, Kreativität und Teamfähigkeit – sonst nichts.
Die Arbeitsfelder
Fallarbeit
Alle Amnesty-Gruppen haben die Möglichkeit ihre Wahl unter sehr vielen verschiedenen Arbeitsfeldern von Amnesty International zu treffen. Es gehört zur ulmer Tradition, zusätzlich zur Mitarbeit an internationalen Kampagnen gegen Menschenrechtsverletzungen, einzelne Menschen zu unterstützen, die Opefer von Menschrechtsverletzungen geworden sind oder zu werden drohen.
Beispielsweise betreute die Ulmer Gruppe einen kubanischen Journalisten, der aufgrund regierungskritischer Artikel, eine langjährige Haftstrafe verbüßte und in der Haft mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu kämpfen hatte. Er wurde 2010 freigelassen. Anschließend kümmerte die Gruppe sich um einen Dissidenten in Myanmar, der im Januar 2012 frei kam. In 2012 steht zur Abwechwslung die Entwicklung eines Projekts gegen Genitalverstümmelung und für Menschenrechtsbildung im kenianischen Distrikt Mara River an. Zusätzlich dazu unterstützt die Ulmer Gruppe die Menschenrechtsorganisation WOZA in Simbabwe (Women Of Zimbabwe Arise), die ständigen Anfeindungen durch die Regierung ausgesetzt ist.
Länderkampagnen
Mehrmals im Jahr führt Amnesty internationale Kampagnen gegen Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern durch; Amnesty-Gruppen aus aller Welt können (und sollen) sich daran beteiligen. In der Regel geht es darum, öffentlichen und internationalen Druck auf eine bestimmte Regierung auszuüben und präzise Forderungen zum Schutz der Menschenrechte durchzusetzen.
Ein halbjährlich verabschiedeter Aktionskalender legt den Zeitraum und die wesentlichen Ziele dieser Kampagnen fest. Gruppen, die an einer Kampagne teilnehmen wollen, erhalten ausführliche Aktionsanleitungen, aus denen sie ihre konkrete Mitarbeit an der Kampagne zusammenstellen können.
Die Länderkampagnen sind ein wichtiger Faktor der Amnesty-Arbeit und können für eine Gruppe sehr interessant sein. Da unsere Gruppe zur Zeit nicht besonders groß ist, nehmen wir an Länderkampagnen nicht automatisch teil, sondern nur, wenn wenigstens ein Gruppenmitglied es ausdrücklich vorschlägt.
Wer Interesse an Länderkampagnen hat, kann sich im Büro jederzeit über den Aktionskalender informieren, sich ein Land heraussuchen, die nötigen Unterlagen bestellen und die Aktionsanleitung auf einem Gruppentreffen vorstellen.
Themenkampagnen
Während Länderkampagnen sich gegen Menschenrechtsverletzungen in einem bestimmten Land wenden, haben Themenkampagnen eine bestimmte Form von Menschenrechtsverletzungen im Visier, die in sehr vielen Ländern gleichzeitig und in ähnlicher Ausprägung anzutreffen ist, also z.B Folter, Todesstrafe, extralegale Hinrichtungen (auch staatlicher Mord genannt), “Verschwindenlassen”, sexuelle Diskriminierung usw. Manche dieser Kampagnen haben eine lange Laufzeit (bis zu einem Jahr) und werden langfristig vorher beschlossen und angekündigt, so daß eine gute Einarbeitung möglich ist. Sie wiederholen sich regelmäßig in größerem Abstand. Zwischen den Kampagnen wird die Arbeit natürlich nicht eingestellt – wenn eine Gruppe an einem Thema dauerhaft weiterarbeiten will, kann sie es in etwas anderer Form auch außerhalb einer laufenden Themenkampagne tun.
Urgent Actions und Briefe gegen das Vergessen
Die »UA« (Eilaktionen) werden 400-600 Mal pro Jahr von Amnesty für besonders dringende Fälle (z.B. drohende Folter, Hinrichtung, »Verschwindenlassen«) gestartet. Die Teilnehmer an diesem Netzwerk erhalten eine kurze Fallbeschreibung mit präzisen Angaben und setzen sich per Telefon, Fax oder E-Mail für bestimmte Einzelfälle bei Botschaften und Behörden ein. Mitmachen kann man in- und außerhalb von Amnesty, wobei »mitmachen« gleichermaßen heißen kann, selbst Briefe zu schreiben oder weitere TeilnehmerInnen zu gewinnen. Bei rund 35% aller Urgent Actions geben Regierungen den Vorderungen von Amnesty International nach.
Ähnliches gilt für das Netzwerk »Briefe gegen das Vergessen« – hier geht es nicht um besonders eilige Fälle, aber oft um besonders harte – z.B. Langzeitgefangene. Die Fallbeschreibungen werden auch in der Mitgliederzeitschrift von Amnesty (Amnesty-Journal) abgedruckt, die jedes Mitglied monatlich erhält.
Finanzbeschaffung
Menschenrechtsarbeit kostet Geld. Jede Amnesty-Gruppe muss ihre Arbeit mit eigenem Geld absichern und darüber hinaus noch einen jährlichen Beitrag für den Unterhalt des Internationalen Sekretariates und anderer gemeinsamer Anliegen aller Gruppen aufbringen. Dies soll jedoch nicht über Beiträge der Gruppenmitglieder ablaufen, sondern durch Spenden von außen (Mitgliedsbeiträge werden nur von sogenannten »Einzelmitgliedern« erwartet, die nicht aktiv in einer Gruppe mitarbeiten).
Um unsere Unabhängigkeit zu wahren, suchen wir vor allem eine Vielzahl von kleinen Spenden aus der Bevölkerung; die Ansprache von möglichen Spendern und Förderern (letztere spenden regelmäßig) ist ein dringend notwendiger Bestandteil unserer Arbeit.
Ulmer Materialversand
Einen wesentlichen Beitrag für unser Konto leistet der Ulmer Materialversand, in dem wir Bücher zu Menschenrechtsthemen, CDs, Materialien zu Menschenrechtsbildung an Schulen und alle möglichen Utensilien, vom Kuli bis zur Jutetasche anbieten. Es sichert das finanzielle Überleben der Gruppe und gehört daher mit zu den wichtigen Aufgaben im Ulmer Büro.
Das Bezirksbüro
Das Ulmer Amnesty-Büro ist für die gesamte Region zwischen Ellwangen/Crailsheim im Norden, Memmingen im Süden, Göppingen im Westen und Dillingen/Günzburg im Osten zuständig, also für den Bezirk Ulm mit 12 Gruppen in 9 Städten. Getragen wird es von allen Gruppen gemeinsam, unterhalten wird es jedoch – natürlich ausschließlich ehrenamtlich – seit 1975 von den Ulmer Gruppen.
Das Büro dient als »Service-Einrichtung« für alle Amnesty-Gruppen im Bezirk und als Anlaufstelle für alle möglichen Anfragen aus der Bevölkerung.
Das Bezirksteam (BST)
…wird von der Bezirksversammlung für ein Jahr gewählt und ist im weitesten Sinne eine Art regionaler Vorstand. Es trifft sich ungefähr alle 6 Wochen im Amnesty-Büro und regelt die laufenden Angelegenheiten des Bezirks. Die BST-Mitglieder sind selbstständig für bestimmte Arbeitsbereiche zuständig (z.B. Jugendarbeit, Presse, Aktionen usw.) und als Team gemeinsam für alle Anliegen und Entscheidungen in der Region. Meist stammt die Mehrheit des Teams aus unserer Gruppe, sodass häufig auch bei den wöchentlichen Gruppentreffen Themen aus der Bezirksarbeit angesprochen werden.
Das Bezirksteam braucht immer Verstärkung und organisiert seine Arbeit möglichst unbürokratisch – weshalb »Schnupperbesuche« immer willkommen sind und niemand, der vielleicht mitarbeiten will, eine förmliche Wahl abwarten muss!
Politische Flüchtlinge
Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, die Unterstützung politischer Flüchtlinge gehört daher zu unseren Standardaufgaben. Immer, wenn es personell möglich ist (wir also genügend Mitglieder haben), bieten wir im Büro Sprechstunden für Asylbewerber an. In »mageren« Zeiten entfällt dieses Angebot; dann beschränken wir uns darauf, die Anliegen von Besuchern und Anrufern zu notieren und an Fachleute in der Mitgliedschaft in unserem Bezirk oder in Nachbarbezirken weiterzugeben.
Projektarbeit
Auf Dauer gehört seit einigen Jahren die von uns gestaltete Wanderausstellung zur Folter »Die Würde des Menschen ist (un)antastbar« zu unseren wichtigsten Projekten. Sie steht allen Amnesty-Gruppen in Deutschland zur Verfügung und wird mit großem Erfolg beständig genutzt, muss aber auch regelmäßig renoviert, ergänzt und verbessert werden. Soweit möglich, erhalten wir dabei Hilfe aus anderen Gruppen des Bezirks. Die Arbeit an der Ausstellung ist gleichzeitig eine gute Möglichkeit, sich in das Thema Folter – ein langjähriger Schwerpunkt unserer Arbeit – einzuarbeiten.
Einzelne Mitglieder der Gruppe engagieren sich auch in bundesweiten Projekten aus der Menschenrechtsbildung und Jugendarbeit. Im Vordergrund steht hier die Mitarbeit an der Organisation der Jugendarbeit von Amnesty in Deutschland und die Entwicklung von Angeboten für Schulen im gesamten deutschsprachigen Raum.
Publikationen
Keineswegs nur für die Finanzbeschaffung und unseren Materialversand, sondern vor allem aus Interesse an den Themen arbeiten Mitglieder der Ulmer Gruppe immer wieder an Publikationen für verschiedene Zwecke.
Durch langjährige Kontaktpflege zu Schriftsteller/innen und Verlagen konnte auch immer wieder erreicht werden, daß nicht nur Bücher zu Menschenrechtsthemen angeregt werden (und dabei auch gelegentlich Fälle der Ulmer Gruppe aufgegriffen werden), sondern dass Autoren oder Herausgeber ihre Honorare an Amnesty spenden. So ist zum Beispiel eine Reihe von Lesebüchern über Menschenrechtsthemen im Verlag Sauerländer, so wie die Anthologie »Frei und gleich geboren« bei Berthelsmann durch die Kontakte der Ulmer Gruppe entstanden. Insgesamt haben Mitglieder der Ulmer Gruppe in bisher 35 Jahren rund 120 Schriftsteller/innen aus über 40 Ländern der Welt in irgendeiner Form in die Amnesty-Arbeit involvieren können.
Öffentlichkeitsarbeit und Presse
Kaum etwas ist so wichtig wie beständige Präsenz vor Ort, sei es in der Zeitung, bei kleinen Infoständen oder durch eigene Veranstaltungen. Dafür kann es nie genügend Mitarbeiter/innen geben. Sowohl für die Gruppe selbst (also das Stadtgebiet) wie für die gesamte Region (Bezirk Ulm) suchen wir deshalb immer nach Mitgliedern, die sich über die Amnesty-Kampagnen auf dem Laufenden halten und daraus Vorschläge für die Gruppe entwickeln und die Spaß an der Kontaktpflege mit Journalisten oder an der Vorbereitung von Veranstaltungen haben.
UNDDASWARNOCHLÄNGSTNICHTALLES…
…wir haben hier nur die wichtigsten Arbeitsfelder vorgestellt, die unsere Gruppe regelmäßig oder gelegentlich beschäftigen. Im Amnesty-Büro geschieht noch mehr, und außerdem gibt es innerhalb von Amnesty noch jede Menge weitere Arbeitsfelder, die einzelne Mitglieder oder die Gruppe jederzeit aufgreifen können. Es lohnt deshalb, sich über das Spektrum an Möglichkeiten zu orientieren – vor allem, wenn man auf Anhieb nichts passendes für die eigenen Interessen oder das Zeitbudget findet. Grundsätzlich soll bei uns jeder das Arbeitsgebiet finden können, das ihn wirklich interessiert und dabei nur so viel Zeit opfern, wie er oder sie opfern kann.
Gut und schön – aber wie steige ich ein?
Man muss keine Berge von Papier durchstöbern, um einen Einstieg zu finden oder viele Gruppentreffen mitmachen, um Teil der Gruppe zu werden.
Der beste Einstieg ist die Beschäftigung mit der Fallarbeit. Hier kann man auf Anhieb und ohne Vorkenntnisse sinnvolle Arbeit leisten und nach und nach entscheiden, ob man dabei bleiben oder sich gleichzeitig über andere Arbeitsfelder (s.o.) orientieren will.
Auf Anweisungen, Anleitungen und dergleichen sollte man nicht warten, sondern einfach zugreifen und Fragen stellen, wenn auf einem Gruppentreffen die Frage »Wer macht was?« gestellt wird – anschließend findet sich immer ein Mitglied, das auf Wunsch alles erklärt, was man wissen will und bei den ersten Schritten behilflich ist.