Positionspapier des Teams des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm und des Teams des Therapieprojekts für traumatisierte geflüchtete Kinder und Jugendliche der Caritas Ulm-Alb-Donau zur Situation der Geflüchteten auf Moria und an den EU-Außengrenzen

Das Team des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm (BFU) setzt sich seit über 25 Jahren für Menschen ein, denen durch staatliche Gewalt vorsätzlich starkes physisches oder seelisches Leid zufügt wurde, oder die Missbrauch, Gewalt und Folter erfahren haben, weil sie von staatlicher Seite nicht ausreichend Schutz erhielten. Das Team des Therapieprojekts für traumatisierte geflüchtete Kinder und Jugendliche an der Psychologischen Familien- und Lebensberatung der Caritas Ulm-Alb-Donau unterstützt seit fünf Jahren geflüchtete Kinder und deren Familien darin, die traumatischen Erlebnisse vor und auf der Flucht zu verarbeiten und dadurch die Möglichkeiten für ihr Leben in Sicherheit zurück zu gewinnen.

Zunehmend erfahren schutzsuchende Menschen nicht nur in ihren Herkunftsländern, sondern auch auf der Flucht Folter, Missbrauch und Gewalt. Besonders an den Außengrenzen Europas führt die Unterbringung in hoffnungslos überfüllten Lagern dazu, dass Menschen gequält, erniedrigt, ihrer Freiheit und Würde beraubt und von professioneller und zivilgesellschaftlicher Hilfe isoliert werden. Die Abschottungs- und Abschreckungspolitik der Europäischen Union (z.B. Frontex, Dublin 3, EU-Türkei-Abkommen, etc.) beraubt die Geflüchteten systematisch ihres Rechts auf Schutz und Unversehrtheit ihrer Person. Der Mangel an Schutz und menschenwürdiger Behandlung an den EU-Außengrenzen und in den südöstlichen EU-Ländern schafft die strukturellen Voraussetzungen für Übergriffe und direkte Gewalt zwischen den geflüchteten Personen selbst sowie durch staatliche Akteure. Aus unserer Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten sind uns hierfür zahlreiche Beispiele bekannt. Dazu zählen in den Grenzländern Griechenland, Bulgarien und Ungarn die systematische Vergewaltigung von Minderjährigen, monatelange Internierung in überfüllten Zellen in Gefängnissen, extreme Demütigung und Gewalt, Fesseln, Entblößung, Schläge bis hin zum Erschlagen, das Loslassen von Hunden, Zwingen zum Essen von Schweinefleisch, fehlende medizinische Versorgung, rechtsradikale Gewalt gegenüber Geflüchteten und Angriffe mit Schlagstöcken und Elektroschockern. In den libyschen Lagern herrschen ebenfalls unmenschliche Zustände, die Geflüchteten sind dort Folter und Tod schutzlos ausgeliefert. Hinzu kommt das Ertrinkenlassen auf dem Mittelmeer.

Es beschämt und bestürzt uns, dass wir Menschen nicht mehr allein wegen der erlittenen Verfolgung und Gewalt in ihren Heimatländern behandeln müssen, sondern auch wegen der erlittenen Gewalt an Europas Grenzen.

Aus unserer Sicht gibt es nur eine wirklich europäische Lösung: Die sofortige Beendigung der Gewalt gegen geflüchtete und schutzbedürftige Personen an Europas Grenzen. Wir appellieren an die Bundesregierung, sofort alle in ihrer Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um den schutzbedürftigen Menschen an Europas Grenzen Schutz zu gewähren und diese in Deutschland aufzunehmen.

Die Aufnahme von Menschen von den griechischen Inseln, deren Asylantrag positiv beschieden wurde, ist nicht genug. Es ist erforderlich, sich auch der geflüchteten Menschen anzunehmen, die in den Lagern auf den griechischen Inseln und an den europäischen Außengrenzen unter unmenschlichen Bedingungen ausharren müssen.

Die Mitarbeiter*innen des Behandlungszentrums für Folteropfer Ulm und des Therapieprojekts bei der Caritas Ulm-Alb-Donau leisten gerne ihren professionellen Beitrag für die psychotherapeutische und psychosoziale Versorgung dieser besonders schutzbedürftigen traumatisierten Geflüchteten.

Ulm, den 06.10.2020

Für das BFU-Team:

Manfred Makowitzki M.A. Dr. Regina Saile

Leiter BFU Therapeutische Leitung BFU

Für das Team des Projekts „Psychotherapeutische Unterstützung für traumatisierte Flüchtlingskinder und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ der Caritas Ulm-Alb-Donau

Dipl.-Psych. Andreas Mattenschlager

Leiter der Psychologischen Familien- und Lebensberatung